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Vorteile einer Essstörung - primärer, sekundärer und tertiärer Krankheitsgewinn

"Ich kann nicht essen", "Ich habe das Essen verlernt" oder "Ich weiß nicht mehr, wie Essen funktioniert" - all dies sind altbekannte Ausreden, die einem die Krankheit immer wieder einredet. Warum diese Aussagen Selbstsabotage sind und jeder Essen KANN.


Ich steckte selbst fest in der Essstörung und wollte nicht raus, aus Angst, all diese Goodies und Benefits zu verlieren. Ich konnte sehr wohl gesund werden, aber ich wollte nicht. Woher ich das so genau weiß? Jeder Mensch kann essen. Ab dem Moment seiner Geburt und sogar noch davor im Mutterleib. Es existiert ein unverlierbarer Trieb in uns, der uns immer wieder daran erinnert, dass wir essen müssen. Also: Ich hatte Vorteile, die ich nicht verlieren wollte. Punkt! Wir sind Menschen und wir können Entscheidungen treffen: Die Entscheidung, ob ich etwas esse oder nicht, kann alleine ich treffen. Gabel nehmen, Essen aufladen, Mund aufmachen, Essen kauen und schlucken - kann man nicht verlernen!


Essen befriedigt unsere Bedürfnisse auf eine unersättliche Art und Weise

Essen weist dich nie zurück, verlässt dich nicht, kritisiert dich nicht oder stirbt nicht. Es ist die einzige Beziehung, in der wir bestimmen können, wann, wo und wie viel. Keine andere Beziehung entspricht unseren Bedürfnissen so vollkommen. Genau so wie andere Süchte lassen Essstörungen die Emotionen einfrieren und können zu einer Ablenkung von wirklichem Leid und Schmerz führen.


Obwohl es viele Gründe für die Entstehung einer Essstörung gibt, wird den "Vorteilen" einer Essstörung meiner Meinung nach zu wenig Beachtung geschenkt. Denn, wenn dein Essproblem gelöst ist, welches Problem wird dann als nächstes Auftreten? Und dann kann es sogar noch schlimmer werden:

  • "Dann wird von mir wieder erwartet, dass ich die gesellschaftlichen Erwartungen erfülle: Haus, Kinder, geiler Job, teures Auto - und ich will das alles nicht"

  • "Ich bin alt genug, um einen Freund zu haben, aber ich habe so große Angst, dass mich niemand mag. Also hungere ich und hoffe, dass mich irgendwann jemand hübsch genug findest."

  • "Ich liebe meinen Mann nicht mehr und hasse meine Arbeit. Wenn ich mich auf mein Training, meine Diät und meinem Gewicht konzentriere, lenke ich mich von diesen Gedanken ab und brauche keine Entscheidung treffen"

Auch weniger dramatische Probleme können hinter einer Essstörung stecken: Schuldgefühle, Eifersucht, Konkurrenzdenken, innere Leere,...


In der Psychologie nennt man diese Benefits auch Krankheitsgewinn, wobei man zwischen 3 Arten unterscheidet: 


primärer Krankheitsgewinn: Ich habe endlich die Kontrolle über mich! 

  • Ruhe und Erholung Beispielsweise hat man endlich mal frei, kann sich erholen und ausruhen.  Körper und Seele bekommen den benötigten Raum zur Genesung. 

  • Konfliktvermeidung  Durch eine Krankschreibung geht man möglichen Konflikten oder Entscheidungen aus dem Weg, man wird von Alltagspflichten entbunden und bekommt Mitgefühl.  

  • Umgang mit Einsamkeit Der Großteil unserer Menschheit kann sehr schlecht mit Einsamkeit umgehen, weil wir uns dann minderwertig und allein fühlen. Durch die Essstörung kann man das Gefühl der Einsamkeit überschatten, indem man sich so sehr mit Essen und dem Körper beschäftigt, dass durch die vielen Gedanken eine Art Ersatzfreundin im Kopf entsteht, die einem ein Gefühl von Nähe schenkt. 

  • Macht über meinen Körper Die Kontrolle über den eigenen Körper gibt einem das Gefühl, eigenständig und unabhängig zu sein. Ich habe die Macht über meinen Körper, also habe ich auch die Macht über mein Leben. In Wahrheit wird man jedoch von der Essstörungs-Stimme kontrolliert. 

 

sekundärer Krankheitsgewinn: Ich habe die Kontrolle über andere! 

  • Vermehrte Rücksichtnahme Steckt man in der Rolle des “Erkrankten” fest, kann dies dazu führen, dass das Umfeld auf einmal vermehrt Rücksicht auf einen nimmt. Man wird mit Samthandschuhen angefasst und nur noch bei dringenden Angelegenheiten gefragt.  Unter dem Motto: ”Ich darf mich endlich ausruhen & runterfahren. Ich bekomme dennoch alle Aufmerksamkeit und Anerkennung. Unbewusst signalisiert das dem Hirn: Ich bleibe da drin, weil es viel schöner und bequemer ist.  

  • Mitgefühl und Zuneigung Endlich haben meine Eltern Zeit für mich und sind für mich da, man wird von den Freunden & Eltern umsorgt. Bitte beachte, dass dies nach jahrelanger erfolgloser Heilung in Frustration und Hilflosigkeit umschlagen kann und die Eltern jegliche Hoffnung aufgeben. 

  • Anerkennung und Beachtung Endlich nimmt mich mein Umfeld wahr und ich werde gesehen. Das vermittelt einem das falsche Gefühl von “Ich bin endlich etwas wert”. 

  • Sonderbehandlung Für den Betroffenen wird in der Essstörung gerne ein Spezialmenü gekocht und jegliche Wünsche von den Augen abgelesen. Hauptsache der- oder diejenige isst. Es kann sein, dass der Betroffen das Essen vom Partner ans Bett gebracht bekommt, weil man zu schwach ist, um selbst aufzustehen. Dies ist eine Form der Aufmerksamkeit, nach der man sich schon so lange sehnt. 

  • “Opferrolle” Durch die Krankheit kann der Betroffene bewusst unangenehme Arbeiten und Aufgaben umgehen, indem er sich auf seinen derzeitigen, schlechten Zustand ausredet. Besonders, wenn sich ein Streit anbahnt, oder eine Entscheidung getroffen werden muss. 

 

tertiärer Krankheitsgewinn: Indem andere mir helfen, gebe ich ihnen einen Sinn! Hier geht es um die Vorteile, die das Umfeld - die Kümmernden und Besorgten Angehörigen - aus der Erkrankung ziehen.  Indem dir diese Menschen helfen, fühlen sie sich gebraucht und nützlich, was ihnen einen gewissen Lebenssinn verleiht. 

  • Mutter Das kann die Mama sein, die es sich zur Lebensaufgabe macht, dir aus der Essstörung zu helfen. Die ihr eigenes Leben hinten anstellt, nur damit du gesund wirst. Das Gefährliche hierbei ist, dass deine Mutter vermutlich gar nicht mehr weiß, was sie tun würde, wenn du geheilt bist? 

  • Aber auch Psychotherapeuten, Berater und das ganze Gesundheitswesen profitieren aus deiner Krankheit. 

 

Die Essstörung kann dem Erkrankten, aber auch dem Umfeld tatsächlich von Nutzen sein.  

Die Vorteile durch die Krankheit können für den Kranken so groß sein, dass derjenige nicht darauf verzichten will. 

 

Um den versteckten "Nutzen" deines Essproblems zu ändern, musst du dir zunächst bewusst machen, inwiefern die die Essstörung "hilft".


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